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exhibition text by Jens Mentrup:
Wir freuen uns besonders, die dritte Einzelausstellung von Alexandra Leykauf ankündigen zu
dürfen. Unter dem Titel Ritual Residue erweitert die Künstlerin den Galerieraum durch eine
wandfüllende Tapete, die Steine in einer offenen Landschaft zeigt. Im Raum stehen
Kühlschranktüren in unterschiedlichen Größen, auf deren Frontseite Steine gedruckt sind. Wie in
der Landschaft beziehen sich auch die auf die Kühlschranktüren gedruckten Steine auf das
menschliche Maß, ebenso wie die Türen selbst. Die Steine stehen in einer Beziehung zueinander
und zu uns, als Betrachtende. In der Natur entsteht das durch die Bewegung des Körpers. Die
Fotografien von Alexandra Leykauf, die den Siebdrucken zugrunde liegen, erzeugen diesen Effekt
durch die von der Künstlerin konstruierte Perspektive.
Die Steine sind, wie die Kühlschranktüren, Fragmente von durch Jahrtausende voneinander
getrennten Kulturen, die durch Alexandra Leykauf zu einem Amalgam von kontextuellen
Bedeutungsfeldern verschmolzen werden. Der Kühlschrank ist ein Gerät, um klimatische
Bedingungen zu beherrschen. Er stellt eine Versorgungssicherheit her, die zu Geborgenheit führen
kann. Er ist ein Container, der nicht nur Lebensmittel, sondern auch eine kulturelle Praxis
konserviert. Die hier ausgestellten Türen der Kühlschränke verweisen als elementarer Teil der
ausgeschlachteten Maschine auf die kulturell variierenden Inhalte des „containers“ und sind in der
Ausstellung gleichzeitig Bildträger für Siebdrucke von Steinen, die durch ihre Positionierung eine
uns unbekannte Bedeutung in sich tragen.
Die Steine sind Relikte einer für uns nur noch durch archäologische Forschung zugänglichen
Kultur. Sie sind Überreste, wie die Türen, auf die sie gedruckt sind. Beide verweisen auf Rituale,
die uns als Betrachtende verborgen bleiben. Die Steine sind als spätsteinzeitliche Überformungen
der Natur Fixpunkte in der offenen Landschaft. Sie bilden einen Imaginationsraum, wie der
geschlossene Kühlschrank, dessen verborgener Inhalt Projektionsfläche für unsere Bedürfnisse ist.
Beide konservieren so auf sehr unterschiedliche Weise unser Bedürfnis nach Orientierung und
Sicherheit, ohne den Betrachtenden einen Zugang zu Inhalt und Funktion zu geben. Durch diese
hybride Konstruktion erzeugt Alexandra Leykauf eine Perspektive, die uns die Möglichkeit bietet,
uns intuitiv mit den Bildinhalten zu verbinden, weil die Steinbilder, wie die Kühlschranktüren von
diesem Ballast durch die Künstlerin befreit worden sind und damit ihre ursprüngliche Funktion
verloren haben. So werden Bildträger und Bild Teil einer kulturellen Erzählung jenseits einer
objektiven Geschichtsschreibung.
Die stelenartigen Kühlschranktüren sind im Ausstellungsraum in einer Konstellation zueinander
angeordnet und sorgen, wie die Steine in der offenen Landschaft, für eine Raumordnung, die eine
kryptische Bedeutung in sich trägt. Die Anordnung der Objekte in der Ausstellung erschafft ein
Portal zu einer uns unzugänglichen prähistorischen Praxis, die uns zu einer individuellen
Bedeutungsfindung einlädt. Türen und Durchgänge sind ein wiederkehrendes Motiv in den Werken
von Alexandra Leykauf, die Räume öffnet und verbindet, die auf den ersten Blick keine
Gemeinsamkeit haben. Durch die Verknüpfung von Relikten ausgedienter Kulturträger ermöglicht
sie uns eine direkte Beziehung zu erleben zwischen unserem Körper und neu verknüpften
Ausformungen der Kultur im Spannungsfeld von Natur und Konsum, zwischen Verlust und
Konservierung. Die Werke von Alexandra Leykauf sind eine konzeptuelle Auseinandersetzung mit
der Konstruktion unserer kulturell überformten Welt, um eine Perspektive für eine Transformation
der transportierten Inhalte aus dem Bild heraus in die Welt zu öffnen.